Peter Teschke, Kapitalmarktexperte
Beim Ausblick auf Wirtschaft und Finanzmärkte überwiegt zum Jahresbeginn die Zuversicht. Die besonders hoch ansteckende Omikron Variante des Coronavirus führt zwar zu hohen Ansteckungszahlen, aber aufgrund des überwiegend milden Verlaufs der Krankheit nehmen die Lockerungsschritte weltweit zu und die Wirtschaft sieht Licht am Ende des Pandemie-Tunnels. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass durch eine weiterwachsende Immunisierung der Weltbevölkerung die Pandemie in großen Teilen der Welt so in Griff zu bekommen sein wird, dass sie graduell auslaufen kann. Die Engpässe in den Lieferketten dürften sich in der Konsequenz langsam auflösen oder zumindest reduzieren. Der Mangel an Halbleitern, der sich in vielen Branchen wie bei den Automobilherstellern oder im Maschinenbau bemerkbar macht, dürfte sich jedoch als besonders hartnäckig herausstellen und sich bis ins Folgejahr erstrecken. Hauptgrund ist die Abhängigkeit in Europa von den Produktionsstandorten der Chips in Asien und den USA. Lieferengpässe, steigende Energiepreise und fiskalisch stimulierte Übernachfrage in den USA heizen die Inflationsraten spürbar an. Es gab lange Zeit gute Gründe dafür anzunehmen, dass der Corona bedingte Inflationsschock "transitorisch" also vorübergehend ist. Aber insbesondere in den USA und in UK sind die Arbeitsmärkte wegen fehlendem Personal immer angespannter und es entsteht Lohndruck. Die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale steigt. In den USA hat die FED daraufhin bereits im letzten Jahr die Kehrtwende in ihrer Geld- und Zinspolitik angekündigt. Sie wird ihre monatlichen Anleihekäufe im März 2022 einstellen und hat die Märkte auf mehrere Zinserhöhungen bis Ende 2022 und darüber hinaus vorbereitet. Die EZB will im Hinblick auf eine Leitzinserhöhung vorerst noch abwarten, wobei wir eine erste Zinserhöhung in diesem Jahr nicht ausschließen. Die Weltwirtschaft befindet sich derzeit mitten in einer konjunkturellen Hochphase, der die Unterstützung durch die international lockere Geld- und aktive Fiskalpolitik langsam entzogen wird. Es ist außerdem damit zu rechnen, dass die aus den Vorjahren gewohnt niedrigen Renditen an den Anleihemärkten allmählich ansteigen und somit auch die Refinanzierungskosten der Unternehmen steigen werden. Auch geopolitische Risiken, wie der Russland-Ukraine- oder der China-Taiwan Konflikt können jederzeit eskalieren und der Weltwirtschaft schweren Schaden zufügen.
Wir erwarten in diesem Umfeld ein Wachstum der Weltwirtschaft mit Blick auf 2022 in Höhe von +4,3%. Der Wert bewegt sich damit wie auch im Vorjahr über seinem langjährigen Durchschnitt (gemessen seit 1980) von +3,5%. Dabei dürfte die Konjunktur nach einem schwierigen Q1 angesichts noch bestehender Corona-Einschränkungen und einer hohen Inflation, welche die Realeinkommen belastet, im weiteren Verlauf des Jahres 2022 immer spürbarer an Schwung gewinnen. Ein Blick auf den globalen Datenkranz deutet auf eine relativ synchron verlaufende positive, aber im Vergleich zum Vorjahr sich abschwächende Entwicklung in den Industrie- und Schwellenländern. In den Emerging Markets - insbesondere in China - muss auch im Jahr 2022 mit geringeren Wachstumsimpulsen für die Weltwirtschaft gerechnet werden. So hat z.B. das rigorose Durchgreifen der chinesischen Regierung mit ihrer „Null-Toleranz-Politik“ während der Corona-Pandemie zur Schließung wichtiger Häfen für den Güterexport geführt. Auch regulatorische Eingriffe in China belasten weiterhin die Technologie- und Immobilienbranche. Dementsprechend erwarten wir in China nur noch eine BIP-Wachstumsrate von +4,8%. Für die USA prognostizieren wir einen Anstieg des BIP-Wachstums im Jahr 2022 von +4,0%. Der private Konsum ist weiterhin die tragende Säule des US-Bruttoinlandsprodukts und wächst seit Jahren stabil mit etwa 3% p.a. Dieser profitiert von dem starken Arbeitsmarkt, den steigenden Eigenheimpreisen und der guten Verfassung der US-Börse. Im Euroraum erwarten wir ein BIP-Wachstum von +4,0%. Richtig durchstarten dürfte die Wirtschaft vorrausichtlich im zweiten Halbjahr 2022, wenn die Störungen der internationalen Lieferketten abebben und die vollen Auftragsbücher abgearbeitet werden können.
In dieser fortgeschrittenen Phase im Konjunkturzyklus rechnen wir auf Einzelunternehmensebene nach starkem Umsatz- und Gewinnwachstum im letzten Jahr, nun mit erhöhtem Druck auf die Gewinnmargen, da viele Firmen im Zuge erhöhter Inflationsraten mit höheren Produktions- und Inputkosten z. B. für Energie und Personal rechnen müssen. Firmen, die über Preissetzungsmacht verfügen, kommen in diesem Umfeld besser klar, da sie Preissteigerungen an ihre Kunden weitergeben können. Unternehmen hingegen mit geringer Produktdifferenzierung werden Probleme haben, ihre erhöhten Kosten weiterzugeben.
Für die Segmente Aktien USA, Aktien Europa und Aktien Deutschland lauten daher unsere Prognosen für das Jahresende 2022: S&P 500 Index 5.000 Punkte, Euro Stoxx 50 Index 4.600 Punkte und DAX 16.500 Punkte. Es ist zu erwarten, dass die Unternehmensgewinne in den meisten Regionen im höheren einstelligen Prozentbereich solide wachsen und somit eine gute Basis für steigende Aktienkurse bilden. Die Bewertungsniveaus für die internationalen Aktienmärkte haben sich mit den fallenden Aktienmarktnotierungen im Januar bereits an die schärfere Notenbank-Rhetorik angepasst und in die Richtung ihrer langfristigen Durchschnittswerte bewegt. Eine weitere spürbare KGV-Einengung halten wir für unwahrscheinlich, da wir vorerst keine globale Konjunktureintrübung erwarten.
Die Anlageklasse Anleihen ist weiterhin hoch bewertet, trotz der Kursverluste zu Jahresanfang. Im Portfoliokontext spielen Anleihen im Rahmen der Diversifikation und zur Steuerung des Portfoliorisikos weiterhin eine wichtige Rolle. Für die 10-jährige Bundrendite erwarten wir zum Jahresende 2022 mit +0,35% einen weiteren Anstieg, weil die Inflation in der Eurozone voraussichtlich über dem Zielwert der EZB von 2% bleiben wird. Da die EZB die derzeitigen Inflationstreiber nicht als nachhaltig betrachtet, plant sie zwar das Volumen der Anleihekäufe beginnend im März 2022 zu reduzieren, aber eine Leitzinserhöhung ist derzeit noch nicht geplant. Es ist davon auszugehen, dass die EZB den hochverschuldeten Staaten im Euroraum keinen größeren Renditeanstieg zumuten möchte. Die Diskussionen über Zinserhöhungen dürften aber zunehmend intensiver geführt werden. Für 10-jährige US-Treasuries erwarten wir ebenfalls einen Anstieg auf 2,20%. Innerhalb des Anleihesegments bewerten wir höherverzinsliche Spreadprodukte wie High Yield Anleihen aus Europa und auch aus den USA für attraktiver als Staatsanleihen. Die zu erwartende gute konjunkturelle Entwicklung dürfte die High Yield Spreads stabil halten. Die vergleichsweise geringere Duration des HY Segments puffert außerdem zu einem gewissen Grad größere Renditeanstiege im Staatsanleihesegment ab. Wir erwarten in diesem Umfeld im Jahr 2022 weiterhin niedrige Ausfallraten bei Global High Yield Anleihen zwischen 2%-3%. Für 2022 rechnen wir mit einer fortgeführten USD-Stärke und prognostizieren per Jahresende einen EUR/USD von 1,12, insbesondere vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Geld- und Zinspolitik dies- und jenseits des Atlantiks.
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